Traulsen wird Deutschlandchef von Boehringer Ingelheim
Boehringer Ingelheim bekommt einen neuen Deutschlandchef: Der Leiter des Standortes Biberach, Dr. Fridtjof Traulsen (54, unser Foto), wird Anfang 2024 Dr. Sabine Nikolaus nachfolgen, die ihre berufliche Laufbahn beendet.
Beim jüngsten Pressegespräch nahmen beide die Staffelübergabe vorweg und berichteten rück- und ausblickend über die beiden größten Firmenstandorte Ingelheim und Biberach an der Riss.
Pharma-Branche - eine Schlüsselindustrie Deutschlands
Anders als vor Jahresfrist sehen die Unternehmensvertreter Anlass zur Hoffnung für den hiesigen Pharmastandort. Deutschland-Chefin Nikolaus zeigte sich mit Blick auf die von der Bundesregierung angekündigte Pharma-Strategie zufrieden.
Der Bund anerkenne die Pharma-Industrie als Schlüsselindustrie in Deutschland, habe das Thema mittlerweile auf seine industriepolitische Agenda gesetzt. Mit der sogenannten Pharma-Strategie will die Ampel-Koalition die Rahmenbedingungen für die pharmazeutische Forschung und Industrie verbessern. Branchenvertreter sehen den hiesigen Pharma-Standort unter Druck, die internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährdet.
Biotechnologie unverzichtbar für Arzneimittel der Zukunft
Ungeachtet der aus Branchensicht immer noch ungünstigen Rahmenbedingungen sieht Boehringer Ingelheim sogar die Chance, dass „Deutschland zum international führenden Biotechnologie-Standort“ wird, gerade mit Blick auf Präparate für Seltene Erkrankungen, wo Biopharmazeutika stark überrepräsentiert seien. „Biotechnologie ist eines der wichtigsten Verfahren, um Arzneimittel für die Zukunft zu präsentieren“. Die scheidende Deutschland-Chefin sagte, für den Erfolg der Pharmaindustrie sei ein funktionierendes Ökosystem nötig und forderte in diesem Sinne eine ressortübergreifende Pharmastrategie des Bundes.
Erneutes Bekenntnis zum Standort D
Nikolaus wie Traulsen bekräftigten das Bekenntnis des familiengeführten Konzerns zum Standort Deutschlands mit Zahlen: rund ein Drittel aller Beschäftigten arbeitet in Deutschland, wo auch für die Welt produziert, geforscht und entwickelt werde, wiewohl 90 Prozent der Umsätze auf den Export entfallen. Mehr als 70 Prozent der global umgesetzten Arzneimittel werden in Europa produziert.
7548 Beschäftigte am Standort Biberach
Die direkte Brutto-Wertschöpfung für Deutschland wurde mit 6,1 Mrd. Euro beziffert, wovon 1,8 Mrd. in interne F&E fließen. Etwa die Hälfte aller F&E-Ausgaben werden hierzulande investiert, vor allem am konzernweit größten Forschungs- und Entwicklungs- (F&E) und Biotech-Standort in Biberach, der im September 2023 7.548 Beschäftigte zählte.
Auch für 2024 sind nach Angaben der scheidenden Deutschland-Chefin weitere Investitionen an den deutschen Standorten geplant. Darunter auch eine neue Produktionsanlage für flüssige Arzneimittel, in erster Linie Biopharmazeutika mit Applikationssystemen.
Neue Modalitäten im Kommen
Biberachs Standortleiter Traulsen verwies auf den „größten Hub für biotechnologische Produktion in Deutschland zwischen Ulm, Biberach und Oberschwaben“. Dort investiert Boehringer Ingelheim in viral-basierte Systeme. In der ersten klinischen Phase befindet sich ein onkolytisches Virus (VSV-GP) für die Indikation Onkologie. Auch das Land Baden-Württemberg unterstütze diese ‚neuen Modalitäten‘ mit dem Aufbau einer Fraunhofer-Außenstelle für virale Therapeutika in Biberach. Das stärkt nach Traulsen Worten die wissenschaftliche Exzellenz in der Region und helfe auch anderen Unternehmen im BioPharma Cluster.
Gut bestückte Pipeline
Rund ein Viertel der Umsatzerlöse floss in die Forschung und Entwicklung (F&E) der sechs Therapiegebiete. Im ersten Halbjahr beliefen sich deutschlandweiten F&E-Ausgaben auf 1,34 Mrd. Euro. Bei vier Produktkandidaten der späten klinischen Phase in den Bereichen Herz-, Nieren-Stoffwechselerkrankungen, Lungenfibrose, der Entzündungserkrankungen und der mentalen Gesundheit hat das Unternehmen Traulsen zufolge von der FDA eine Breakthrough-Designation erhalten; weitere Fast-Track-Designation der US-Behörde in Onkologie und Herz-Nieren-und Stoffwechselerkrankungen.
Zwei Präparate (beide in Phase 2) gegen Fettleibigkeit (Adipositas) entwickelt das Unternehmen; auch ein sogenanntes digitales verschreibungspflichtiges Therapeutikum zur Behandlung von Schizophrenie-bedingten kognitive Störungen befindet sich in der späten klinischen Erprobung (Phase 3). (Quelle: Pressegespräch Boehringer Ingelheim Deutschland, Fotos: Boehringer Ingelheim, 25.10.2023, wp)