„Das hat sich wunderbar ergänzt“
Im Exklusiv-Interview standen die beiden Geschäftsführer Dr. Frank Mathias (Rentschler Biopharma) und Peter Sölkner (Vetter) im neuen Ravensburger Headquarter von Vetter Rede und Antwort.
Wir veröffentlichen hier Teil 1 des Interviews, der zweite Teil folgt.
Im Gespräch...
mit Peter Sölkner & Dr. Frank Mathias
Warum diese strategische Partnerschaft ausgerechnet jetzt und nicht schon früher?
Sölkner:
Vielleicht hat es an den richtigen Personen gelegen, die sich einfach noch einmal zusammengesetzt und darüber nachgedacht haben, ob das nicht eine Menge Sinn machen könnte. Frank Mathias, meine Person und auch mein Geschäftsführungskollege Thomas Otto kannten uns vorher noch nicht persönlich. Aber wir haben das nachgeholt, Ende letzten Jahres. Da haben wir uns das erste Mal überhaupt getroffen, weil wir auch gemeinsame Kundenprojekte hatten. Wir waren uns von Stunde Eins auch persönlich sehr sympathisch und haben nachgedacht, wie sich denn die Landschaft um uns herum kontinuierlich verändert. Da haben wir noch nicht über Corona gesprochen, sondern von der dritten Welle Biotech, von Virentechnologien, Viral Vectors, von Individualmedizin, von immer komplexeren Produkten, von Herausforderungen, die auf beide Unternehmen zukommen. Wir haben festgestellt, dass sich beide Firmen mit vielen recht ähnlichen Themen beschäftigen. Wir haben ja bereits Erfolgsfälle, Kunden, die positive Erfahrungen sowohl bei Rentschler Biopharma als auch bei Vetter gemacht haben. So fing das Ganze an.
Mathias:
Das ist gar nicht so lange her. Wir haben uns das erste Mal im November gesehen. In der Tat haben wir sehr schnell viele Synergiepunkte gesehen. Die Firma Vetter ist weltweit bekannt für Entwicklungsunterstützung und Abfüllung auf höchstem Niveau mit entsprechender Qualität. Wir sind bekannt als CDMO (Contract Development and Manufacturing Organisation, Auftragsentwicklungs- und Produktionsunternehmen) für die Herstellung von hochkomplexen Biopharmazeutika auch auf höchstem qualitativem Niveau. Und wir haben überlegt, ob wir unsere aufeinander aufbauenden Kompetenzen nicht stärker bündeln wollen, um der immer komplexer werdenden pharmazeutischen Entwicklung und Produktion zu begegnen.
Sölkner:
Für eine solche Zusammenarbeit braucht es auch eine Menge Energie. Das fängt bei „Legal Agreements“ an, z.B. Drei-Wege-CDAs, das betrifft die Behandlung von Meilensteinen, in welchen Phasen gehen wir wie mit dem Kunden um, wo sind die Übergabepunkte, wer macht die Analytik zu bestimmten Themen. Wir müssen das auch bei den Zulassungsbehörden hinterher schlüssig argumentieren können. Eine strategische Zusammenarbeit ist nicht mal eben so gemacht, sondern da muss man eine Menge Arbeit reinstecken. Jetzt ist uns das gelungen. Wir beide haben uns mit interdisziplinären Teams öfter getroffen, uns auf den Stand der Dinge gebracht und Entscheidungen mit begleitet. Mittlerweile ist es in Videokonferenzen bisweilen schon schwierig zuzuordnen, wer zu welchem Unternehmen gehört.
Mathias:
Wir hatten in beiden Unternehmen den gleichen Haupttreiber: den Patienten. Was können wir tun, um ihn schneller zu bedienen, was können wir tun, um Kunden schneller zu bedienen, denn „time to market“ ist heute ganz wichtig. In der Tat ist unsere Zusammenarbeit schon heute unheimlich spannend: Wir haben andere Sichtweisen auf Sachen, kommen aus zwei verschiedenen Bereichen der pharmazeutischen Produktion, die sich ergänzen. Das macht Spaß.
Sölkner:
Ja, es macht Spaß, auf menschlicher Ebene und auf Ebene der Firmenkulturen. Das passt gut zueinander.
Rentschler Biopharma hat in der jüngeren Vergangenheit einige strategische Partnerschaften oder Allianzen bekannt gemacht. Von Vetter sind solche Kooperationen bislang nicht bekannt. Hat das einen Grund?
Sölkner:
Wir haben noch nie in unserer Firmengeschichte irgendeine Akquisition betrieben. Alles, was Sie an unseren Standorten sehen, ist reines organisches Wachstum. Es ist für uns auch ein Novum, eine strategische Allianz in diesem Umfang einzugehen. Sie macht Sinn, weil wir wissen, was wir können und was wir nicht können. Vetter will nicht in den Wirkstoffbereich. Umgekehrt hat Rentschler Biopharma für sich beschlossen: Nein, Fill-and-Finish, das ist in der Breite, wie Vetter es betreibt, auch nicht unser Zuhause. Von daher hat sich das wunderbar ergänzt. Es kommen Produkte auf den Markt, wo es ein Vorteil sein kann, wenn man da entlang der Wertschöpfungskette enger zusammenarbeitet.
Als Dienstleister haben Sie beide den Kunden im Blick – Ist diese strategische Zusammenarbeit eine Antwort auf Erwartungen von Pharma- und Biotech-Unternehmen?
Sölkner:
Ich würde das klar so sehen. Wir werden uns über einige Sachen Gedanken machen müssen. Zunächst über die Geschwindigkeit. Dass sich die Welt für Pharma/Biotech gerade auch durch Corona noch ein bisschen schneller drehen wird, diese Zeichen sehen wir durchaus. Wir müssen die Kunden unserer Kunden im Blick haben, die Patienten. Es gibt viele Krankheiten ohne Therapie. Wir sehen das gerade am Boom z.B. bei den Orphan Drugs oder in der Onkologie. In den letzten zehn Jahren sind einige tolle Produkte auf den Markt gekommen, aber immer noch gibt es für viele Patienten sehr herausfordernde Diagnosen mit einer negativen Fünfjahres-Prognose. Zur Verbesserung solcher Prognosen möchten wir unseren wichtigen Beitrag leisten.
Wir müssen uns darüber unterhalten, wie wir hochwertige APIs (Aktiver pharmazeutischer Wirkstoff), wie sie bei Rentschler Biopharma entstehen, am besten formulieren. Wie wir Fill-and-Finish bis zur Patientenanwendung hin denken. Wir müssen darüber sprechen, ob wir uns fallweise bei Kombinationsprodukten beispielsweise einen dritten Partner dazu holen, wenn wir vielleicht ein Pen-System benötigen, um das Medikament zu applizieren.
Mathias:
Wir hatten schon Erfahrung mit Abfüllung. Bei uns war es tatsächlich so, dass die Kunden gesagt haben: Sie produzieren für uns, können Sie auch für uns abfüllen? Da haben wir gesagt, das können wir in der Breite, wie es Vetter macht, nicht tun. Deswegen suchen wir uns Partner. Das war schon ein Teil der Motivation. Der Kunde hat uns dahin geschoben und er soll ja schließlich davon profitieren. Wenn Prozesse aufeinander abgestimmt sind, wenn Know how auf allen Ebenen ausgetauscht wird, dann geht alles viel schneller. Wir werden Schnittstellen haben, die das alles beschleunigen, wovon der Kunde profitieren wird.
Vetter hat in Rankweil (Vorarlberg) den Fill-and-Finish-Standort aus dem Hause Rentschler übernommen. Heißt das, dass sich Rentschler Biopharma aus dem Fill-and-Finish-Geschäft zurückzieht und dies dem neuen Partner Vetter überlässt?
Mathias:
Ich will klarstellen: Diese Firma aus dem Hause Rentschler war nicht direkt mit Rentschler Biopharma verbunden. Was Vetter im Bereich der Entwicklungsunterstützung, Abfüllung und Endverpackung inklusive der Bandbreite von Formaten anbietet, kann weltweit kaum ein anderes Unternehmen leisten. Deswegen haben wir gesagt, wir werden das in Zukunft nicht mehr machen. Wir werden uns auf API-Produktion fokussieren. Diese strategische Entscheidung ist gefallen und auch ein wichtiges Element in unserer Zusammenarbeit.
Sölkner:
Wir kommen uns nicht ins Gehege. Das ist komplementär zueinander. Andererseits macht Rankweil für uns Sinn, auch losgelöst von unserer strategischen Zusammenarbeit. Denn wir standen hier am Standort Ravensburg vor der Frage, ob wir einen separaten Reinraum entstehen lassen für die klinischen Phasen. Wir haben an unserem Standort in Chicago sehr positive Erfahrungen gesammelt, dass wir keine kommerziellen Produkte auf die beiden dortigen Linien genommen haben. Das hat den Vorteil, dass wir bzw. unsere Kunden beispielsweise keinen „30-Tage-Change“ bei der FDA beantragen müssen für ein mögliches zusätzliches Produkt auf einer Linie. Auf diese Weise sind wir deutlich schneller und können innerhalb von drei Monaten ab Erstansprache vielleicht schon die ersten Vials für die Klinik abgefüllt haben.
Gerade für die Phasen I und II sind solche rein klinischen Linien essentiell, da haben wir in Chicago erheblich an Geschwindigkeit zugelegt. Das Gleiche wollten wir hier in Europa in konsequenter Fortführung dieser Strategie auch tun. Und dann hat sich die Möglichkeit Rankweil aufgetan. Offen gesprochen, was seinerzeit die Fill-Finish Solutions dort aufgebaut hat, hätten wir im Grundsatz nicht viel anders gebaut. Das passt alles ins Vetter Development Service-Konzept. Wir sind davon überzeugt, dass wir das in den nächsten gut zwölf Monaten zu einem erfolgreichen Media-Fill führen können. Für unsere Partnerschaft ist das eine gute Sache, sowohl Chicago wie Rankweil als auch die kommerziellen Linien - so ähnlich wie Rentschler Biopharma das auch macht. Das passt wunderbar zueinander.
Die Fragen stellte Walter Pytlik.
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