22.12.2022

Geprobte Translation im Ulmer Stadthaus

Über die Brücke der Translation gingen jüngst im Ulmer Stadthaus Grundlagenforscher und Vertreter der Biopharma-Industrie und wissenschaftliche Nachwuchskräfte.

 

 

Diese oft getrennten Welten zusammenführt haben die Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie (GBM) und der BioPharma Cluster South Germany.

Unser Bild (Foto: Pytlik) zeigt Professor Uwe Bücheler, Moderator der Veranstaltung.

 

Im Blickpunkt der englischsprachigen Veranstaltung stand „The World of RNA" - die mehrtägige akademische GBM-Veranstaltung (Mosbacher Kolloquium) vom März fand in Ulm eine anwendungsorientierte Fortsetzung.

 

Ohne RNA kein Leben

Ribonukleinsäuren (RNA in der englischen Abkürzung) eignen sich besonders für diesen Brückenschlag von den Grundlagen bis zur Anwendung. RNAs zählen zu den elementaren Bausteinen des Lebens: Ohne sie gäbe es keine Prozesse in Zellen - in Tieren, Pflanzen und Bakterien. Viele Forschende hängen sogar der These an, dass die Entstehung des Lebens nicht auf die doppelsträngige Desoxyribonukleinsäure, sondern auf die einsträngige Ribonukleinsäure zurückgeht.
 

Die RNA-Biologie hat inzwischen mehr als ein Dutzend Typen entdeckt und beschrieben. Manche RNAs tragen genetische Informationen, andere interagieren mit Biomolekülen und Metaboliten. Wieder andere wie Ribozyme stoßen Entwicklungen in der Zelle an oder beschleunigen chemische Prozesse oder regulieren Gene.

 

Corona-Pandemie beschleunigt die RNA-Forschung

Weltberühmtheit erlangte die Boten-RNA und beschleunigte damit die lange nur Insidern bekannte Forschungsrichtung, als es binnen zehn Monaten gelang, einen mRNA-Impfstoff gegen die Corona-Pandemie 2020 zu entwickeln.


Vorausgegangen waren aber fast 30jährige Forschungsarbeiten, ohne welche nach Expertensicht die kommerzielle Umsetzung der RNA-Technologie kaum gelungen wäre, die wie im Fall von BioNTech als Krebsvakzine geplant war (und mittlerweile auch erprobt wird). Insbesondere Fortschritte und Durchbrüche in der RNA-Pharmakologie waren im Fall der Vakzine für den Erfolg dieses kurzlebigen und instabilen Biomoleküls verantwortlich.

 

RNA-Therapeutika wieder auf Pharma-Radarschirm

In der EU sind acht Arzneimittel auf RNA-Basis (Stand Oktober 2022) zugelassen. Mittlerweile erwartet man von diesen Biomolekülen in naher Zukunft vielversprechende Therapeutika.

Wie akut und aktuell das Forschungsfeld ist, zeigt eine Broschüre, in der die interdisziplinäre Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht das Thema RNA in den Blick nimmt und einer Bestandsaufnahme unterzieht.       

 

Unter den Vortragenden der Ulmer Veranstaltung waren Wissenschaftler der Universitäten Mainz, Marburg und Ulm, darunter Professor Dierk Niessing. Der Leiter des Ulmer Instituts für Pharmazeutische Biotechnologie informierte über die biologischen und medizinisch relevanten Besonderheiten dieses Moleküls und zeigte, welche Rolle die RNA für die Entstehung als auch für die Behandlung von Krankheiten spielen kann.

 

Über das Potential und die rasche Entwicklung des mRNA-basierten Impfstoffes sprach Dr. Tilman Friedland von der Mainzer Firma BioNTech.

 

Moderator Uwe Bücheler, Senior Advisor Biopharmaceuticals bei Boehringer Ingelheim und Vorstandsvorsitzender des BioPharma Cluster South Germany und Beitratsmitglied bei der GBM, führte in das Thema der New Biologics Modalities ein - hinter diesem Begriff verbergen sich neuartige Therapien (auch unter dem Kürzel ATMP hierzulande zusammengefasst), zu denen auch RNAs zählen.

 

Zukunft der New Biologics Modalities hat schon begonnen

Bei der anschließenden Panel Diskussion diskutierten Firmenvertreterinnen und -vertreter von Boehringer Ingelheim, Rentschler Biopharma und Teva Biotech, von Vetter Pharma und Sartorius Stedim Cellca über die Chancen und Herausforderungen bei Entwicklung und Herstellung neuartiger Wirkstoffe (ATMPs oder New Biologics Modalities).


Diese komplexen Biopharmazeutika höchst unterschiedlicher Formate werden nach Büchelers Einschätzung in naher Zukunft wachsende Bedeutung im Arzneimittelmarkt erlangen. Zu ihnen zählen nukleinsäurebasierte (RNA, DNA) Wirkstoffe, Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, Zell- und Gentherapeutika oder virusbasierte Wirkstoffe für große Bereiche der Medizin (Onkologie, Infektion, Seltene Erkrankungen).

 

An den wissenschaftlichen Nachwuchs richtete sich der "Career Roundtable" zum „Speed Dating“ mit den BioPharma Cluster-Firmen.



Essentieller Austausch zwischen Wissenschaft und Industrie

„In Zukunft werden solche Veranstaltungsformate weiter an Bedeutung gewinnen. Denn der enge Austausch zwischen Wissenschaft und Industrie ist essentiell, um neue therapeutische Ansätze in die Anwendung zu bringen und damit die Translation zu beschleunigen“, sagte Cluster-Chef Bücheler. (wp)