CAR-T-Zelltherapie

Jüngst wurden wieder ermutigende Daten einer klinischen Studie zu einem Lymphdrüsenkrebs prominent (Nature Medicine) publiziert. Beteiligt daran war auch der Hämatologe Prof. Andreas Viardot vom Ulmer Uniklinikum.

Ermutigende Studienergebnisse zu Lymphdrüsenkrebs

Patienten und Patientinnen, bei denen die Standardbehandlung versagte, haben seit Ende 2018 eine neue Option. CAR-T-Zelltherapien haben bei Krebserkrankungen, die auf die Entartung von B-Lymphozyten (sogenannte B-Zell-Lymphome) zurückgehen, überzeugende Ergebnisse erzielt.

 

Ein Blick hinter die Kulissen der Forschungsarbeit an der Ulmer Universitätsklinik

Die Hämatologie der Ulmer Uniklinikum um Prof. Hartmut Döhner besitzt international einen guten Ruf, war und ist an vielen zulassungsrelevanten Studien beteiligt. 

Mehr als 30 CAR-T-Zelltherapien wurden bislang in der Klinik für Innere Medizin III des Universitätsklinikum Ulm durchgeführt, davon zwölf Betroffene in Studien behandelt. Die erste an Lymphdrüsenkrebs erkrankte Person wurde im Mai 2019 behandelt, 2018 wurde die erste CAR-T-Zelltherapie hierzulande zugelassen. Neben Studien bei anderen B-Zell Lymphomen laufen auch Studien für Patienten und Patientinnenn mit Prostata-Karzinom oder mit akuter myeloischer Leukämie.

 

Indikationserweiterung für zugelassene Therapie

Die aktuelle Studie unter Ulmer Mitwirkung untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit der CAR-T-Zelltherapie mit Tisagenlecleucel bei 98 älteren Patienten und Patientinnen mit weit fortgeschrittenem follikulären Lymphom, bei denen die Standardtherapie versagt hatte. Das Arzneimittel (Hersteller: Novartis) ist bereits zur Behandlung der akuten lymphatischen B-Zell-Leukämie (ALL) und des diffus großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) zugelassen. Ziel der klinischen Prüfung, die an Dutzenden Kliniken weltweit durchgeführt wurde, ist eine Indikationserweiterung, was einem zweiten Produkt (Hersteller (Kite/Gilead) in den USA bereits gelungen ist. An einer Studie mit dem dritten Hersteller Bristol Myers Squibb (BMS) sind die Ulmer Hämatologen auch beteiligt.

Derzeit konkurrieren drei sehr ähnliche (vgl. zu den Unterschieden: Albinger et al, S.515ff.)  CAR-T-Zellprodukte auf dem Markt, sagt Viardot. Sie alle zielen auf denselben Krebsmarker (CD 19). Die Indikationserweiterung ist für den Ulmer Lymphom-Experten naheliegend, da auch beim follikulären Lymphom, dem zweithäufigsten Lymphom, die entarteten B-Zellen dieses Antigen CD19 tragen.


Seltene Untergruppe in Studie eingeschlossen

Anders als beim aggressiven Lymphom (DLBCL; etwa 6.000 Diagnosen in Deutschland pro Jahr), dessen Erfolgsquote mit CAR-T-Zellen bei etwa 40 Prozent liege, ist die Prognose beim follikulären Lymphom (Prävalenz: etwa 4.000/Jahr) wesentlich günstiger. 80 Prozent dieser Patienten haben eine normale Lebenserwartung, und benötigen manchmal auch keine Therapie.

Die Standardtherapie - Chemo-und Immun(Antikörper-)Therapie -  hat nach Viardots Worten eine statistische Wirksamkeit von durchschnittlich zehn Jahren.  Bei der jetzt publizierten Studie wurden allerdings Patienten eingeschlossen, die bereits zwei erfolglose Vortherapien hatten und darauf nicht genügend angesprochen hatten. Bei der zweiten Therapie sprachen 70 Prozent Patienten gar nicht an oder hatten nach sechs Monaten einen Rückfall.

Eingeschlossen war also eine seltene Untergruppe dieser Krankheit, deren Prognose viel schlechter ist als bei der Mehrzahl dieser Patienten, sagt der Ulmer Co-Autor der Studie. Vor diesem Hintergrund seien die Ergebnisse dieser Patienten sehr vielversprechend: 86 Prozent der Patienten hatte nach einem Jahr keinen Rückfall. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob nicht doch spätere Rückfälle zu konstatieren sind.

 

Neue Therapie macht Krebszellen für Immunsystem wieder sichtbar

Viel mehr Erfahrung gibt es dank zahlreicher klinischer Studien zu Betroffenen, bei denen die Behandlung agressiver Lymphome mit bereits zwei Vortherapien erfolglos verlaufen ist. Bis vor drei, vier Jahren bedeutete eine solche Diagnose oft den raschen Tod. Die ersten, teils spektakulären Erfolge mit CAR-T-Zellen wurden allerdings bei der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) erzielt. Eine junge Patientin ist seit mehr als acht Jahren krebsfrei. In der Krebstherapie, die oft die monateweise Verlängerung der Lebenserwartung als Fortschritt sieht, markierte die CAR-T-Zelltherapie eine Art Zeitenwende.


Erfolge verdanken sich glücklichem Umstand

Dass die CAR-T-Zelltherapie gerade bei B-Zell-Lymphomen so erfolgreich ist, ist dem Umstand geschuldet, dass der Mensch anders als ursprünglich gedacht auch gut ohne B-Zellen leben kann. Denn CAR-T-Zellen zerstören eben nicht nur die bösartigen B-Zellen, sondern auch die gesunden, die ebenso den Rezeptor CD19 tragen. Für Lymphomforscher Viardot kommt dies nicht ganz überraschend. Denn bevor sich die CAR-T-Zelltherapie etablierte, wurden maligne Lymphome mit Antikörpern behandelt, die sich gegen das Oberflächenmolekül CD20 auf den B-Zellen richteten und auch alle B-Zellen zerstörten. Viele Patienten und Patientinnen lebten nach Viardots Worten ohne B-Zellen ganz gut, allein eine gewisse Infektanfälligkeit wurde als Nebenwirkung beobachtet. Inzwischen wurden auch viele rheumatische Erkrankungen so behandelt.

Nebenwirkungen sind gut therapierbar

Die gravierendste und neuartige Nebenwirkung der CAR-T-Zelltherapie, ein Zytokinsturm, ist allerdings beherrschbar. Diese starke Immunreaktion infolge der raschen T-Zellvermehrung und dem massiven Angriff auf den Tumor ist insofern berechenbar, als sie nach T-Zell-Gabe nach wenigen Tagen beginnt, ihren Höhepunkt nach etwa sieben Tagen hat und in der Regel dann abklingt. „Die meisten unserer Patienten sind nach zehn Tagen wieder entlassfähig“, fasst Andreas Viardot zusammen.

Hinzu kommt noch ein ungewöhnlicher wie glücklicher Umstand, auf den der Ulmer Mediziner hinweist: Der Entwickler der CAR-T-Zelltherapie Carl June hatte eine Tochter, die an einer rheumatischen Erkrankung litt. Als die ersten Behandelten nach der CAR-Zell-Gabe einen solchen Zytokinsturm entwickelten, setzte er das Rheumamittel (einen Interleukin-6-Rezeptor-Inhibitor) seiner Tochter ein, das hervorragend anschlug – bis heute gilt dies als Medikation der Wahl und ist zugelassen bei der CAR-T-Zelltherapie.

Weitere Nebenwirkungen der CAR-T-Zelltherapie sind neurologische Symptome, die man bis heute wohl nicht gänzlich verstanden hat. (vgl. Fehse, S. 160), die teilweise schwerwiegend ausfallen können. Diese neurologischen Störungen treten im Verlauf dieses Zytokinsturms auf, verschwinden mit diesem wieder und sind gut therapierbar (vgl. Fehse, ebd.). Am stärksten sind die Nebenwirkungen der CAR-T-Zelltherapie bei ALL und den aggressiven Lymphomen, bei den follikulären Lymphomen fallen sie laut Viardot geringer aus.

 

30 Jahre Vorlauf

Die Anfänge der CAR-T-Zelltherapie gehen zurück auf Arbeiten Ende der 1980er Jahre (vgl. Fehse, S. 156). Spätestens mit der ersten Zulassung 2017/18 haben die klinischen Forscher CAR-T-Programme aufzusetzen versucht. Da solche Therapien nicht in jeder onkologischen Klinik durchgeführt werden können, hat man strenge Qualitätsvorgaben seitens der Hersteller wie auch der Krankenkassen angelegt und CAR-T-Zelltherapie-Zentren an Knochenmark- und Stammzell-Transplantationszentren gekoppelt (laut Klinikaradar derzeit 29, deren Eignung für solche neuartigen Therapien streng überprüft werden).

Die sehr aufwändige CAR-T-Zelltherapie findet am Ulmer Uniklinikum derzeit in den Räumen der Transplantationsstation statt, weil es dort das aufwändig geschulte Personal gibt.

 

 

Dynamische Entwicklung in diesem Bereich der somatischen Gentherapie

Die CAR-T-Zelltherapie zählt in der Krebsforschung zu den aktivsten Bereichen. Das internationale Studienregister Clinicaltrials.gov listet rund 1.000 klinische Studien (abgerufen 13.1.2022) mit CAR-T-Zellen zu verschiedenen Indikationen auf, fast die Hälfte davon entfallen auf China. Auf dem jüngsten US-Hämatologen-Kongress wurde über CAR-T-Zelltherapie an aggressiven Lymphomen berichtet, die anstatt als letzter Rettungsanker immer früher erprobt werden. Während bei B-Zell Lymphomen die Stammzelltransplantation mit eigenen Zellen bis jetzt als Standard bei Rückfällen galt, trete wohl künftig die CAR-T-Zelltherapie an diese Stelle, prognostiziert der Lymphom-Fachmann.

Bereits zugelassen ist die CAR-T-Zelltherapie bei einem anderen Lymphom, dem Mantelzell-Lymphom und dem Multiplen Myelom. Hier nehmen die CAR-T-Zellen das Zelloberflächenprotein BCMA (Cell-Maturation-Antigen) auf den B-Zellen ins Visier. Dieses Antigen eignet sich als Ziel für CAR-T-Zellen, weil es außer auf entarteten Zellen nur in Plasmazellen, also B-Zellen in der letzten Ausdifferenzierungsstufe, exprimiert wird (vgl. Albinger et. al., S. 522).

Sollten CAR-T-Zelltherapien häufigere Indikationen im Bereich der soliden Tumoren erobern, stellt sich die Frage, ob sich die CAR-T-Zellen nicht standardisiert und auch schneller und günstiger herstellen lassen, und nicht nur autologe, sondern möglicherweise allogene T-Zellen produzierbar wären. Inzwischen werden T-Zellen entwickelt, die zwei Krebsmarker angreifen sollen, auch natürliche Killerzellen (NK-Zellen) als Träger des chimären Rezeptors gelangen in erste klinische Studien. 

Quellen

  1. Fowler NH, Dickinson M, et. Al: Tisagenlecleucel in adult relapsed or refractory follicular lymphoma: the phase 2 ELARA trial. Nat Med. 2021 Dec 17. DOI. Online ahead of print.
     

  2. Universitätsklinikum Ulm (2022, 3. Januar): Immuntherapie bei Malignen Lymphomen. Klinische Studie mit CAR-T Zelltherapie zeigt ermutigende Ergebnisse [Pressmeldung].
     

  3. Elara-Studie - Efficacy and Safety of Tisagenlecleucel in Adult Patients With Refractory or Relapsed Follicular Lymphoma 
     

  4. Informationen zum malignen Lymphom auf den Seiten des UK Ulm
     

  5. Fehse, B., Hucho, F. et al. (Hg.): Fünfter Gentechnologiebericht. Sachstand und Perspektiven für Forschung und Anwendung. Forschungsberichte der interdisziplinären Arbeitsgruppen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Baden-Baden 2021, DOI, v.a. Fehse, B.: Themenbereich somatische Gentherapie: aus dem Labor über klinische Studien zum kommerziellen Einsatz, S. 156-183.
     

  6. Eine sehr gute und verständliche Grundinformationen zur CAR-T-Zelltherapie von Prof. Francis Ayuketang Ayuk, Uniklinikum Hamburg-Eppendorf finden Sier hier.
     

  7. Übersichtsartikel zu CAR-T-Zelltherapie in Deutschland: Albinger, N., Hartmann, J. & Ullrich, E.: Current status and perspective of CAR-T and CAR-NK cell therapy trials in Germany. Gene Ther 28, 513–527 (2021), DOI.
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  8. Zum ökonomischen Aspekt der komplexen Herstellungsverfahren, vgl. z. B. Verband der Universitätsklinika Deutschlands: Neue Verfahren gegen Krebs an Uniklinika- CAR-T-Zelltherapie.