Vetter-Rentschler-Allianz

Mitte letzten Jahres haben die beiden Pharmadienstleister Rentschler Biopharma und Vetter ihre strategische Allianz verkündet. Nach erfolgter Kooperationsvereinbarung laufen erste gemeinsame Kundenprojekte an.

Zwei aufeinander aufbauende Kernkompetenzen

Ein Blick hinter die Kulissen der Zusammenarbeit zwei weltweit führender Pharmadienstleister


Zahlen und Namen sind im biopharmazeutischen Auftragsgeschäft zwar vertraulich, aber Stimmung und Auftragslage bestärken die beiden Partner in ihrer Entscheidung.

Die beiden Unternehmenszentralen liegen nur eine dreiviertel Autostunde entfernt. Man kennt einander, hat schon vor der Allianz mit zum Teil gleichen Kunden zusammengearbeitet. Rentschler Biopharma wie Vetter agieren längst weltweit, haben Standorte in Nordamerika, Europa und Asien.

 

Die strategische Zusammenarbeit der zwei Familienunternehmen aus dem Oberschwäbischen lässt sich mit Blick auf den Weltmarkt ein Stück weit einordnen.


In allen wichtigen Märkten (Nordamerika, Europa und Asien/ Pazifik) wächst die Bedeutung der Biopharmazeutika seit Jahren. Und diese Kurve wird nach Einschätzung von Marktforschern auch auf mittlere Sicht nicht abflachen.

Innerhalb der Pharma-Welt steigt der Marktanteil der Biopharmazeutika schneller als derjenige der kleinen, chemisch synthetisierten Moleküle. Entsprechend müssen Entwicklungs- und Herstellungskapazitäten mitwachsen. Der Markt für CDMOs (Contract Development and Manufacturing Organization) wird nach Analysten-Einschätzung mitwachsen, von 8,5 Mrd. Euro auf vorhergesagte 16 Mrd. Euro in 2026. Von jährlichen Wachstumsraten von mehr als zehn Prozent ist die Rede. Noch schneller als der Markt für große Moleküle wie Antikörper oder Proteine soll der für komplexe Biopharmazeutika wie Zell- oder Gentherapeutika wachsen.

Auch wenn Big Pharma oder Big Biotech die hochpreisigen IP-behafteten Biopharmazeutika zum Teil selbst entwickeln und auch herstellen, wächst dennoch der Bedarf an Kapazitäten für Auftragsentwickler-, -hersteller und -abfüller. Zunehmend schließen sich CDMOs mit Pharma- und Biotech-Unternehmen zusammen, bilden strategische Partnerschaften und Allianzen, oder kaufen andere Wettbewerber auf – unter den großen CDMOs im zersplitterten Markt haben diese Deals in jüngerer Vergangenheit längst die Milliardenschwelle überschritten.

 

Ein Jahr nach der Ankündigung sind die beiden Partner der strategischen Allianz stark vernetzt und zusammengewachsen.


Das bestätigen Silke Zimmermann von Rentschler Biopharma und Ute Slotta von Vetter. Beide sind Projektleiterinnen und zentrale Ansprechpartnerinnen für diese Allianz, haben sich von Anfang an ausgetauscht und überlegt, welche Vorteile der Kunde selbst haben könnte, die Unternehmen einzeln und am Ende der Patient. Die identifizierten Vorteile wurden in Projektteams seit Sommer besprochen. Wie es Dienstleistern eigentümlich ist, ordneten die Partner alles der zentralen Frage unter:  Wie können wir dem Kunden helfen, sein Management mit zwei CDMOs zu vereinfachen?

Trotz pandemiebedingter Einschränkungen ist es nach Worten der Projektleiterinnen gelungen, in vielen virtuellen Treffen zwischen den Teams Nähe zu schaffen. Bis auf ein persönliches Treffen wurden Aufbau und Etablierung dieser Allianz mit digitalen Hilfsmitteln bewerkstelligt. „Wir haben eine sehr gute Beziehung aufgebaut“, sagt Silke Zimmermann und ergänzt: „Es ist so, als würde ich meine Kollegen in einer internen Abteilung nebenan anrufen und so rufe ich doch bei meiner Kollegin Ute Slotta bei Vetter an“.  

Längst festgeschrieben sind die Ergebnisse dieses Prozesses, der Rahmen für die Zusammenarbeit ist gezimmert. Neben dem übergeordneten „Collaboration Agreement“ über die allgemeine Zusammenarbeit, Vorgehensweise und Verantwortlichkeiten wurden inzwischen zahlreiche weitere Vereinbarungen und Rahmenbedingungen zwischen beteiligten Bereichen aus beiden Unternehmen festgelegt.

 „Unsere Kunden haben großes Interesse an der gemeinsamen Zusammenarbeit mit Rentschler Biopharma als Drug Substance-Hersteller und Vetter als Drug Product-Hersteller“, sagt Ute Slotta.

Slotta und Zimmermann beschreiben ihre Aufgabe so: „Wir haben ein tandemartiges Gebilde in allen involvierten Bereichen – das heißt beispielsweise, dass die Business Development Verantwortlichen eng zusammenarbeiten. Das Prinzip fester Ansprechpartner auf beiden Seiten gilt auch für alle weiteren involvierten Bereiche, wie z.B. in der Qualität, Entwicklung und Logistik. Wir sind sehr gut vernetzt“.

 

Nach einem Jahr der Allianzbildung hat sich für beide Partner der Horizont erweitert.


Man verstehe sich nicht mehr als reiner Wirkstoffhersteller, sondern wisse jetzt an seiner Seite einen exzellenten Drug-Product-Hersteller, der dieselben Ansprüche in Bezug auf Qualität und Kundenorientierung vertrete, beschreibt Silke Zimmermann. „Alle Erwartungen, mit denen wir in die Gespräche über die Zusammenarbeit gegangen sind, haben sich nicht nur erfüllt, sondern wurden übertroffen, “ sagt die Rentschler Biopharma-Beauftragte. Das reiche über gemeinsame Kundenprojekte hinaus, gehe tiefer in eine Art allgemeine Vernetzung der Unternehmen, bestätigt Ute Slotta.

Viele Kunden sähen darin einen echten Vorteil, wenn sie zwei hochklassige Partner haben, von denen sie wüssten, dass diese eng und vertrauensvoll miteinander zusammenarbeiten und sich deshalb nicht bei beiden CDMOs intensiv einbringen müssten. Inzwischen sprechen beide Unternehmen „sehr erfolgreich“ gemeinsam Kunden an. Ohne Zahlen und Namen im auf Vertraulichkeit basierenden Auftragsgeschäft zu nennen, heißt es von beiden Seiten gleichlautend: „Wir haben eine gute Resonanz aus den gemeinsam geführten Kundengesprächen erhalten“.

In der Fachwelt und in den Medien wurde die Ankündigung der beiden Unternehmen sehr gut aufgenommen. Dass jeder im Rahmen der aufeinander aufbauenden Serviceleistungen seine Kernkompetenz einbringe, und dabei immer auch an den Anderen denke, was schon bei der Kundenakquise beginne, das sei sehr gut im Markt angenommen worden und auch bei den Medien auf reges Interesse gestoßen, sagt Vetters Unternehmenssprecher Markus Kirchner.

 

Zusammenarbeit ist ein Modell für die Zukunft.


„Mit dieser Initiative haben wir einen Nerv getroffen. Vielleicht ist das nochmal katalysiert worden durch die Pandemie. Das Thema strategische Zusammenarbeit gerade in unserer Branche hat insgesamt noch eine andere Bedeutung erfahren“, sagt Dr. Cora Kaiser, Unternehmenssprecherin von Rentschler Biopharma.  „Wir haben gesehen, wie wichtig diese Allianz ist. Zusammenarbeit ist ein Modell für die Zukunft:  Jeder bringt seine Kernexpertise ein. Der Kunde hat den besten Produzenten für Wirkstoff und den besten Abfüller und am Ende trotzdem diese Erfahrung, alles aus einer Hand zu bekommen.“

Die Allianz der beiden global aktiven Partner erstreckt sich auf alle Standorte in den drei Kontinenten Nordamerika (USA), Europa und Asien. Die Schwerpunkte liegen dabei auf den klinischen Phasen bis hin zur Marktversorgung.

Die Nutzung digitaler Plattformen hat das Zusammenwachsen der beiden Partner gefördert, keinesfalls aber beeinträchtigt, bekräftigen Slotta und Zimmermann. Unabhängig davon gelangt der in Laupheim produzierte Wirkstoff auf analogem Wege ins nahe gelegene Ravensburg, Langenargen oder Rankweil, in Zeiten bedrohter Lieferketten ein Sicherheitsfaktor und Vorteil für das Kundengeschäft.

Bestehende, laufende Projekte der klinischen Phasen 1-3 haben sich in die Kooperation der beiden Unternehmen schon eingefügt.  Diese und neue Kunden profitieren von einer fokussierten Interaktion der Allianzpartner, was dem Kunden die Koordination von zwei verschiedenen CDMOs erleichtert und bis zu einem gewissen Maße abgenommen wird, indem der vertraglich ermöglichte direkte Austausch stattfinden kann und sich dadurch Umwege vermeiden lassen.

 

Nutzen: offene Kommunikation, Informationsaustausch


Das kann auch bedeuten, dass sich der Kunde und Rentschler Biopharma im Stadium der Wirkstoffentwicklung und -herstellung mit Vetter frühzeitig in Verbindung setzen kann, was wiederum das Kundenrisiko minimiert. Denn dem Drug Product-Hersteller Vetter stehen Erfahrungen zu Besonderheiten des Wirkstoffs dank der Kooperation frühzeitig zur Verfügung, das heißt, Vetter kann auf Vorarbeiten und Erfahrungen aufbauen und damit für den Pharma- und Biotechkunden wertvolle Zeit einsparen. In einer Branche, in der die Arbeitsabläufe und -prozesse so hochkomplex und langwierig sind wie es die High-Tech-Produkte selbst sind, zählt das, was die Zeit zur Kommerzialisierung verkürzt, nicht eben wenig.

 

 

Im Bereich der Logistik besteht der Nutzen der Allianz darin, dass man auf gemeinsame Lieferanten zugreift oder über abgestimmte Anforderungen an angelieferte Materialien verfügt. Ähnlich augenfällig gestaltet sich der Nutzen für Kunden bei der Erstellung von Formularen. Über Vertraulichkeitserklärungen (CDAs) kann die Kommunikation zwischen beiden Partnern ohne dazwischengeschalteten Kunden ablaufen. Zeitersparnis und weniger Koordinationsaufwand ergibt sich für die Kunden zudem daraus, dass bereits abgestimmte Prozesse für die Einreichung von Dokumenten bei den Behörden vorhanden sind.

 

Nächste Generation schon im Blick


Strategisches Ziel beider Allianzpartner ist es, die Entwicklung vielversprechender neuer Therapien für Patienten mit schweren und seltenen Krankheiten zu vereinfachen und zu beschleunigen, auch mit Blick auf neue Generationen von Biopharmazeutika.

Bei Vetters globalem Kundenportfolio sind die Therapiegebiete breitgefächert und reichen von Volkskrankheiten wie Krebs, Osteoporose bis zu seltenen Krankheitsbildern. Beide Allianzpartner, die weiterhin unabhängig voneinander eigene Kunden bedienen, verfolgen die neuen Entwicklungen auf dem Markt sehr genau. So reagierte Rentschler Biopharma eben darauf mit der Gründung einer Unternehmenstochter für Gen- und Zelltherapie in UK (Catapult). Darüber hinaus ist Rentschler Biopharma in die mRNA-Herstellung eingestiegen, um die Produktion der mRNA-basierten Impfstoffe zu unterstützen. Beim Laupheimer Unternehmen richtet sich der Fokus sowohl auf schwere als auch seltene Krankheiten, denen der CDMO mit sehr komplexen Lösungen begegnet.